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Channel: Kommentare zu: Dämmungslos, hemmungslos
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Von: Christoph Schwan

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Lieber Arnold Drewer,

es gibt den verbreiteten Irrtum, dass Dämmung und Energieeinsparung das Gleiche seien. Die Begriffe sind zum Synonym geworden. Jetzt nehmen Sie sich einmal die Temperaturverteilungsdiagramme in der DIN 4108 vor. Und was sehen wir da? Bei einer ungedämmten monolithischen Wand wird da die Temperatur der Innenwandoberfläche mit der an der Außenwandoberfläche mit einem geraden Strich verbunden. Innerhalb der Wand zeigt der Strich die jeweilige Temperatur an.
Und jetzt das Diagramm für eine außen gedämmte Wand. Da steigt der Strich im Dämmstoff steil an, hinterm Dämmstoff verläuft er flacher bis zur Inenwandtemperatur.
Irgend einen Hinweis auf Energieeinsparung gibt das Diagramm aber nicht. Auch sonst finden Sie da in der DIN 4108 nichts. Was lernen wir daraus? Dämmstoffe führen zur Anhebung des Temperaturniveaus im gedämmten Material. Das ist eine manchmal nützliche Wirkung von Dämmstoffen, kann man doch damit Wärmebrücken abdecken und Tauwasser auf Innenwandoberflächen vermeiden.
Nun wollen wir aber wissen, wie die Wärmeenergie das Bauwerk verlässt. Die DIN 4108 lässt uns da im Stich. Das ist auch kein Wunder. Früher hieß diese Norm „Wärmeschutz im Hochbau“. Da ging es aber nicht um Energieeinsparung – die damals bei Heizölpreisen von DM 0,04 gar kein Thema war – sondern einzig und alleine um die Entschärfung von Wärmebrücken. Mit Dämmstoffen bescheidener Stärke wurde diese Problem ganz ordentlich gelöst.
Bei ein klein wenig Nachdenken sollten auch Sie darauf kommen, dass nur an der Gebäudeoberfläche Wärmeenergie verloren und bei Sonneneinstrahlung gewonnen wird.

Und was haben wir da?
Konvektion und Emission und Absorption von Strahlungsenergie. Bei Windstille ist die Konvektion klein – etwa 2 W/m²K, ist es windig, ist die Konvektion grösser. Wetterlagen mit strengem Frost sind meistens windstill. Da hat eine Außenwand eine Temperatur von – 5 °C. Haben wir – 15 °C Aussenlufttemperatur, kann es da zu einem konvektiven Energieabtrag von 20 W/m² kommen. Hierbei unterscheiden sich Aussendämmungen von ungedämmten Wänden in nichts. Die übliche Wetteränderung nach der Frostperiode ist heftiger Wind mit atlantischer Luft mit bis zu 15 °C Temperatur. Da kommt es also mitten im Winter zu heftigem konvektiven Energieeintrag von bis zu 180 W/m². Ist die Wand gedämmt, hat die eigentliche Wand nichts davon. Dämmstoff dämmt nämlich tatsächlich. Er kann nämlich den Wärmeeintrag verzögern. Die ungedämmte Wand hingegen wird kräftig erwärmt, was man daran sieht, dass die Wandtemperatur auf bis zu + 10 °C ansteigt. Leider muss trotzdem geheizt werden – aber entschieden weniger.
Und jetzt betrachten Sie die Wärmestrahlung, über die Sie sich lustig machen zu belieben. Da haben wir übrigens nicht nur die Solarstrahlung, die auch im Kernwinter, besonders bei wolkenlosen Frostlagen mit ungefähr 700 W/m² arbeitet, sondern auch die Umgebungsstrahlung, die ein unbeachtetes Dasein fristet, obwohl sie rund um die Uhr eine Leistung von rund 280 W/m² hat. Ist es bewölkt, haben wir noch die Diffusstrahlung mit Werten bis zu 150 W/m². Zugleich emittiert die Wand auch Wärmestrahlung – aber immer erheblich weniger als eingestrahlt wird.

Ich nenne das den „exogenen“ Energieeintrag ohne den wir unsere Gebäude überhaupt nicht beheizen könnten. Wenn Sie das gelegentlich nachrechnen – Sie müssen da eine Bilanz von Energieeintrag und – abtrag aufstellen – und nehmen die von der Heizanlage ins Gebäude eingetragene Energie hinzu, werden Sie auf das überraschende Ergebnis stoßen, dass beim Energieeintrag die Heizanlage gerade einmal mit rund 2% beteiligt ist.

Nichts war es also mit der Idee, die in der EnEV verkörpert ist, dass es da nur einen Wärmestrom von innen nach außen gäbe, den man mit dicken Dämmstoffen stoppen könne.

Noch ein Letztes zur Sonneneinstrahlung, die Sie nur auf Südseiten finden. Ginge es nur um den Kernwinter, lägen Sie sogar einigermaßen richtig. Es geht aber bei unserem Thema nicht um den Kernwinter sondern um die ganze Heizperiode, beginnend am 1. Oktober und endend am 30 April und sich oft bis tief in den Mai hineinziehend. Wir haben Heizungsübergangszeiten und Kernheizzeiten, die sich wie 2 : 1 verhalten. Also haben wir auch Solarstrahlung auf den Ost – und Westseiten. Und sollten Sie darauf kommen, dass die Wirkung der Solarstrahlung etwas mit dem Einstrahlungswinkel zu tun hat, werden Sie feststellen, dass die größten Einstrahlungsleistungen auf Südseiten nicht etwa im Sommer sondern in den Monaten April und Oktober zu verzeichnen sind, also noch innerhalb der Heizperiode.

Weil das so ist, müssen außen gedämmte Häuser länger beheizt werden. Dämmung führt also zur Erhöhung der Beheizungskosten, weil sie den wirklich riesigen exogenen Energieeintrag behindert. Und geht man nun den freudigen Bekundungen von Hausbesitzern, sie hätten mit Aussendämmung große Heizkostensenkungen erreicht, auf den Grund, sehen wir fast immer, dass zugleich die Heizanlagen erneuert und undichte Fenster ausgetauscht worden sind. Sinnvoll waren auch die Dämmmaßnahmen an Keller – und Dachdecken.

Daher kann der Bundesverband WDV in Baden-Baden bis heute keinen wissenschaftlich fundierten Beleg darüber vorlegen, dass es bei Häusern, die nur gedämmt worden sind und sonst nichts gemacht worden ist, signifikante Energieeinsparungen eingetreten sind. Damit wird auch die GEWOS – Studie erklärbar, die den Aussendämmungen eine Energieverbrauchserhöhung durch Aussendämmungen in Höhe von 17% (!) zuweist.
Damit ist auch erklärt, warum das zuständige Bundeswirtschaftsministerium den vom Bundesrat 2001 verlangten Erfolgsbericht bis heute nicht vorlegen konnte.

Es grüsst Sie und die Kollegen
Christoph Schwan, Architekt, Berlin


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