Quantcast
Channel: Kommentare zu: Dämmungslos, hemmungslos
Viewing all articles
Browse latest Browse all 83

Von: Christoph Schwan

$
0
0

Um was geht es hier eigentlich?
Ganz sicher nicht um die Person des Kollegen Konrad Fischer, den ich persönlich kenne und den ich als sehr qualifiziert einschätze. Er verfügt über eine immense Erfahrung im Umgang mit historischer Bausubstanz und auch über die damit verbundenen energetischen Problemlösungen.

Hier geht es um den Sinn oder Unsinn von überzüchteten Dämmmaßnahmen. Die Anhänger der Dämmtechnik berufen sich durchwegs auf die EnEV und sind davon überzeugt, dass die Erfüllung oder gar Übererfüllung dieser Verordnung zu signifikanten Senkungen des Heizenergieverbrauchs führen würden. Genau da liegt der Hund begraben.

Der Kern der EnEV besteht darin, dass auf einen möglichst geringen U-Wert gesetzt wird. Dies unterliegt der Vorstellung, dass es nur eine Energieverlagerung von innen nach außen gäbe und sonst nichts. Der exogene Energieeintrag in Form von Solar,- Umgebungs,- und Diffusstrahlung, aber auch konvektiver Energieeintrag werden in den Berechnungen zur EnEV nicht behandelt. Das ist natürlich realitätsfremd. Nur wenn es um den sommerlichen Wärmeschutz geht, der ja nur wegen des exogenen Energieeintrags erforderlich wird, wird die Existenz des exogenen Energieeintrags eingestanden.

Ein realitätsnahes Berechnungsverfahren muss den exogenen Energieeintrag behandeln. Nur ein solches Berechnungsverfahren kann die Grundlage von energieeinsparenden Konstruktionen werden. Also ganz simpel: In einem realitätsnahen Berechnungsverfahren muss das Wetter einbezogen sein.

Damit ist aber dann auch Schluss mit dem bisherigen Verfahren, bei dem nur die Wärmeleitfähigkeit einer Hüllkonstruktion behandelt wird. Das geht nicht mehr in einem einzigen Rechengang, bei dem ein U-Wert ermittelt wird. Wetterbestimmte Berechnungen sind nur noch in Simulationen möglich. Dazu benötigt man das von den Wetterstationen ermittelte Durchschnittswetter mit stündlich gewonnenen Wetterdaten. Weil das Durchschnittswetter vom tatsächlichen Wetter immer abweicht, muss für die so gewonnenen Ergebnisse der mögliche Fehler angegeben werden, der ungefähr 5% beträgt.

Das Entscheidende an der Angelegenheit ist nun aber, dass die Bedeutung der Wärmeleitfähigkeit erheblich abnimmt und die große Bedeutung der Masse und der Wärmekapazität wieder eingeführt wird. Es geht also um die physikalische Größe der Temperaturleitfähigkeit. Wer sich damit näher beschäftigen will – für Architekten ist das ein Muss – kann sich hierüber in dem sehr empfehlenswerten Buch von
Marek & Nitsche, “Praxis der Wärmeübertragung”, 2.Aufl. Hanser-Verlag, Leipzig kundig machen.

Für unsere Computermenschen wäre es ein Leichtes, derartige Simulationsprogramme zu erstellen, sodass auch der Praktiker sinnvolle Berechnungen durchführen kann. Die Folgen wären aber einschneidend.
Die EnEV würde als das entlarvt werden, was sie tatsächlich ist, nämlich als ein unsäglich fehlerbehaftetes Machwerk. Sie müsste daher abgeschafft werden.

Und dann?
Es würde völlig genügen, wenn der Staat maximale Energieverbräuche für unterschiedliche Gebäudetypen verordnet. Sein Versuch, den Fachleuten technische Lösungen aufzuzwingen, ist bekanntlich gescheitert. Noch schlimmer: Die EnEV hat den technischen Fortschritt und den Wettbewerb um die beste Lösung verhindert.
Sichtbar daran, dass die Auflage des Bundesrats aus dem Jahr 2001, dass nach sechs Jahren ein Erfolgsbericht vorgelegt werden müsse, bis heute nicht erfüllt werden konnte. Sichtbar an der GEWOS – Studie, die eine Erhöhung des Heizenergieaufwand um 17% bei gedämmten Konstruktionen ermittelt hat. Und nun als vorläufiger Tiefpunkt die im Auftrag der KfW erstellte PROGNOS – Studie, die die völlige Unwirtschaftlichkeit der bisherigen Energieeinsparpolitik festgestellt hat und nur noch der Staat wegen zusätzlicher Steuereinnahmen und erhöhter Abgaben für das Sozialsystem profitiert.

Als unverbesserlicher Optimist hoffe ich immer noch, dass die Architekten und ihre Kammern sich aus der Umklammerung des Staates befreien und als zuständige Berufsgruppe endlich dafür sorgen, dass nicht weiterhin sinnlos das Vermögen der Hauseigentümer vergeudet wird und letztlich die Mieter die Zeche bezahlen müssen.

Mit besten Grüßen

Christoph Schwan
Architekt


Viewing all articles
Browse latest Browse all 83